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nürnberger
institut für

mediation

organisation

system

Über ihre Ausbildung zur Mediatorin bei n.i.m.o.s., nürnberger institut für mediation, organisation und system berichtet eine Absolventin nach ihrem Abschluss

„Hinterm Horizont geht’s weiter - Mein Weg zur Mediatorin -“

September 2010

Eine Präsentation meiner fachlichen und persönlichen Veränderungen während der letzten zwei Jahre soll ich abliefern.

Blicke ich also zurück auf diese Zeit und lasse sie in Bildern an mir vorüberziehen. Wie bei einer Zugfahrt ist das. Ich sitze ganz ruhig da und die Erinnerung zieht einen Filmstreifen durch meinen Kopf; so wie die Geschwindigkeit der Bahn es mit der Landschaft tut.

Das passt gut. Die Wochenenden in Nürnberg werden für mich immer untrennbar mit dem Rattern von Eisenbahnwagen verbunden sein.

Coburg (wo ich lebe) - Nürnberg. Nürnberg - Coburg. Auf der Hinfahrt mit dem Blick nach draußen; auf Felder, den Sonnenaufgang, auf Tau oder Schnee. Auf der Rückfahrt mit dem Blick nach innen, auf Regungen, Impulse, Erkenntnisse; auf Wellengang, Wogen und manchmal auch spiegelglattes Meer - den Ozean der Erschöpfung.

Oder aber: der Blick nach draußen, das Fachliche, die äußeren Stationen. Der Blick nach innen, das Persönliche, die innere Entwicklung.

Wie es aussieht, will sie als Zugfahrt geschrieben werden, meine Präsentation zu den letzten zwei Jahren. Tja dann, Pfiff und Abfahrt.

Aber halt, nicht ganz so schnell. Angefangen hat alles ja schon ein wenig vorher; mit dem Moment, in dem ich den Bahnhof betrat, würde ich sagen.

Warum, warum habe ich das eigentlich gemacht? Dort, wo ich war, schien die Sonne, der Himmel war blau und egal wohin ich blickte, wuchs und gedieh alles. Manches einfach so, im Glück guter Witterungsverhältnisse; anderes Keime aus liebevoll gehegter und gepflegter Saat. Ein Ort, an dem man verweilen sollte!

Wenn ich trotzdem aufgebrochen bin, dann wohl, weil wir Reisende sind, bis wir irgendwann gegen das Schild „Endstation“ rennen. Dieses Schild war - zum Glück - nicht in Sicht. Genau genommen war da überhaupt kein Schild. So bin ich wohl zum Bahnhof gegangen, um mich zu orientieren, Wegweiser zu betrachten, den Klang von Zielen auf mich wirken zu lassen und nachzuspüren, ob nicht das eine oder andere Fernweh mich in Versuchung bringt.

Und tatsächlich waren dort Routen beworben, die verlockten und Orte angeschrieben, die sich reizvoll anhörten.

Mir fiel wieder ein, dass ich schon einmal ein wenig unschlüssig auf so einem Bahnhof gestanden hatte: kurz nach dem Abitur. Damals hatte ich mich erkundigt nach Reisen zu „etwas mit Menschen“ und „etwas mit Sprache“. Fahrkartenverkäufer und Umstehende hatten mir damals empfohlen, den Zug mit der Aufschrift „Jura“ zu besteigen. Ich vermute heute, dass keiner von ihnen dort jemals war... Aber gut, ich habe es nicht bereut, tatsächlich zugestiegen zu sein.

Ausgestiegen oder eher abgesprungen bin ich dann an einer Station mit dem Namen „Justiz-Staatsanwaltschaft“. Joo, mit Menschen hatte ich da zu tun...

Wie auch immer, als ich nun erneut am Bahnhof stand, sah ich mich in der Lage, meine Vorstellungen etwas konkreter zu formulieren. „Menschen“ war nach wie vor ein prima Stichwort. Vielleicht ein bisschen mehr hin zu ihnen.

Schließlich stieg ich in einen Wagen, der mit „Mediation“ angeschrieben war. Im Kleingedruckten stand noch etwas von Verständigung, Vermittlung und Versöhnung.  Da war ich auch schon drin.

Mich erwartete ein bunt gemischtes Team, das für Kurs und Betreuung Sorge trug und - auf immer unvergessen - für einen geradezu liebevollen Bordservice.

Meine 11 Mitreisenden wurden schnell von Fremden zu Bekannten und Vertrauten. Und - ich muss es einfach an dieser Stelle unterbringen - für ihre Gesellschaft während dieser Reise bin ich von ganzem Herzen dankbar.

Doch es sind die Stationen, von denen ich berichten soll. Es waren so viele Haltestellen. Ich kann für die Reihenfolge wohl keine Garantie mehr übernehmen.

Eine gute Routenplanung, eine klare Struktur ist das halbe Ziel. Z.B. der Stopp an diesem hellen freundlichen Dorfbahnhof, der gerade von einem bunten quirligen Pulk Kindergartenkinder bevölkert wurde. Das ist mein Bild für das Spiel, das uns so oft in diesen 2 Jahren erlaubt war. Hineindenken, -fühlen und -fließen in Rollenanweisungen und dann Dinge ausagieren, die doch nie in einem waren.

Nicht ganz so beschwingt sah es in mir aus im Bahnhof, den ich den „Potemkinschen“ nennen mag. Alles Pappe, nur Fassaden. „Alles ist nur Konstruktion.“ Ich habe gar nichts, außer meinem Bild von den Dingen. Im Grunde ist nichts real und schon gar nicht im Sinne von objektiv. Es sind Fluchtimpulse, an die ich mich entsinnen kann, zumindest aber das ausgeprägte Bedürfnis, die Vorhänge zuzuziehen und auf die Weiterfahrt zu hoffen. Für jemanden, dessen Welt aus selbstgemalten Bildern besteht, ein Höllenszenario. Hm. Einerseits. Wow mehr!!! Noch viel mehr Leben,  Vielseitigkeit, Perspektive... !!!

„Baustelle“ - hieß ein anderer Stopp. Wie errichtet man eine Homepage? Wie erstellt man Flyer? Und braucht man eigentlich einen Helm, wenn man aus dem Haus tritt, um sich anzubieten und Aufmerksamkeit, Erwartung und womöglich Kritik auf sich lenkt?
   
Einmal hielt mein höchstpersönlicher Mediationszug in einer ziemlich dunklen Ecke. Mir war es wie auf einem dieser Geisterbahnhöfe der Berliner S-Bahn, damals, als es die DDR noch gab. Der Zug hielt, aber du wusstest, die Türen werden zu bleiben, hier geht es nirgendwohin. Und so genau war das in dieser einen Mediationssitzung. Wo ich auch hinleuchtete, bei diesen beiden war es zapfenduster - aus meiner Sicht, versteht sich. Was tun, wenn jeder dem anderen genau das nicht geben kann, was der am meisten braucht, so was wie ... die alte Liebe, z.B. ? Dann kann man auf diesem Mist einen Haufen Bedürfnisse und Optionen aufschichten. Wenn es dann aber um ein Ergebnis geht, ist unter dem ganzen feinen Gebilde immer noch genau der gleiche Mist. Alles Augenwischerei?

Halt. Ich meine, dann kam auch schon wieder ein neuer Halt. Mit einem anderen Paar. Mit Anspannung, Konzentration, Hingabe und totaler Erschöpfung und daraus aufsteigend plötzlich diesem absoluten Glücksgefühl. Da war eine Mauer eingestürzt. (Ha, und so ging es ja auch mit der DDR zu Ende.) Zwei Menschen waren sich wieder näher gekommen. Was war es? Ein Blick, eine Schwingung...? Egal, es bewirkte bei mir ein von tiefsten Herzen kommendes „Das, genau das möchte ich machen!“

Ich bin nun im Begriff, aus diesem Zug wieder auszusteigen. Es ist ein prall gefüllter Koffer, den ich da auf den Bahnsteig hieve. Aber das ist keine Last, das ist Beute. Und ich weiß, dass viele der Schätze, die ich nun für diesen Halt dabei habe, mir von großem Nutzen sein werden.

Fachlich ist mein Handwerkszeug vielfältiger geworden. Worte taugen zu mehr, als dem ewigen Muster von Obersatz und Subsumption. Worte sind das effektivste Werkzeug im Umgang mit Menschen. Je nachdem, wie man sie verwendet, können sie aufbauen oder zerstören. Kommunikation ist nicht Begleiterscheinung eines Jobs, sondern eine der Hauptaufgaben. Im richtigen Moment die richtige Formulierung zu finden ist Kunst, ist der Kick. Das ist die größte Herausforderung, die ich mir vorstellen kann. Und wenn es gelingt, dann habe ich meist dieses irre gute Gefühl, dass mein Innen und Außen in diesem Moment in absoluter Übereinstimmung sind.  Das ergibt dann einen Satz, der durchschlägt und andere erreicht. Und plötzlich fällt mir wieder ein, dass ich einmal „etwas mit Sprache“ machen wollte.

Bedeutsam ist für mich bei jeder Begegnung die Achtung vor jedem einzelnen Menschen in der tiefen Überzeugung, dass wir alle in unserem Kern vollkommen gleichartig sind. Und dieser Kern ist Liebe und ihre Sehnsucht nach sich selbst. Mit diesem Fokus kann es tatsächlich gelingen, Person und Sache zu trennen, verschiedene Sichtweisen als eben das einfach stehen zu lassen und aus einer miesen Vergangenheit nichts anderes mitzunehmen als die Erkenntnisse, die man für eine glücklichere Zukunft braucht. Und wenn ich heute  „etwas mit Menschen“ mache, dann soll es unter diesen Vorzeichen sein.

© n.i.m.o.s.